Der Konflikt zwischen den Mapuche und dem chilenischen Staat hat sich seit Beginn diesen Jahres stark verschärft. Auslöser dieser Situation war ein Brandanschlag am 4. Januar in der Gemeinde Vilcún im Süden Chiles, bei dem der Agrarunternehmer Werner Luchsinger und seine Frau Vivian MacKay ums Leben kamen. Sie sind nicht die ersten Opfer in diesem historischen Konflikt. Alex Lemún, Matías Catrileo und Jaime Mendoza Collío, drei junge Mapuche wurden während der Regierungszeit des mittlerweile nicht mehr regierenden Parteienbündnisses Concertación von Polizeibeamten im Dienst ermordet. Allerdings hat die chilenische Regierung auf die toten Mapuche nicht auf die gleiche Art und Weise reagiert wie im Fall des Ehepaars Luchsinger – MacKay. Für den Staat und Teile der chilenischen Gesellschaft gibt es Opfer erster und zweiter Klasse.
Nach dem Tod des Ehepaars Luchsinger – MacKay entsandte der Staat eine Delegation mit Regierungsvertretern und Mitgliedern der verscheidenen Institutionen, die vom Präsident der Republik, Sebastián Piñera angeführt wurde, die nach Vilcún reiste um den Familienangehörigen der Opfer ihr Beileid auszudrücken. Desweitern kündigten die Regierungsvertreter eine Reihe von Maßnahmen an, die alle mit Sicherheitspolitik verbunden sind. Unter anderem waren dies eine Erhöhung der Mittel für die Polizei. Außerdem leiteten sie Ermittlungen wegen eines Terroranschlags ein, womit die sich erneut auf das Antiterrorgesetz berufen, ein Gesetz, das Erbe der Militärdiktatur ist und dessen Anwendung von internationalen Organisationen und Menschrechtsorganisationen regelmäßig kritisiert wird, da es systematisch das Recht der Angeklagten auf einen fairen Prozess verletzt.
Dieses Gesetz wurde nicht angewandt, als die die drei jungen Mapuche ermordet wurden. Genauswenig gab es Beildeidsbekundungen oder Besuche von Regierungsvertretern. Ganz im Gegenteil, die Angehörigen sahen sich mit Montagen der Polizei konfrontiert, deren Ziel es war, eine Täter-Opfer-Umkehr zu betreiben und die Opfer für ihren eigenen Tod verantwortlich zu machen. In Bezug auf den Tod des Ehepaars Luchsinger – MacKay ist das besorgniserregendste allerdings, dass obwohl die Ermittlungen erst am Anfang stehen, eine Welle von Kriminalisierungen gegen die Mapuche losgetreten wurde. Die Regierung und die großen Medien des Landes behaupten es gebe Mapucheterrorismus in der Region. Noch schwerwiegender sind die Äußerungen vom Agrarminister Luis Mayol, der den Aufruf von Agrarunternehmern in der Zone sich mit Schusswaffen zu versorgen öffentlich unterstützt und rechtfertigt.
Die traditionelle Strategie des chilenischen Staates um die wirtschaftlichen Interessen von Privatpersonen zu verteidigen ist einen politischen Konflikt zu kriminalisieren und durch die Anwendung von Strafrecht zu entpolitisieren. Der Ursprung dieses Konflikts liegt 130 Jahre zurück und ist durch Unrecht, der systematischen Verletzung von Menschenrechten und der strukturellen Armut, in der die Mapuche sich nach der militärischen Besetzung und dem Raub ihres Landes durch den chilenischen Staat wiederfinden geprägt. Diese Situation hat sich in den letzten Jahren durch die Anwesenheit von großen Agrarkonsortien wie Forestal Mininco und Bosques Arauco, die mit den großen chilenischen Unternehmensgruppen und transnationalen Konglomeraten verbunden sind, weiter verschärft.
Wir, die Chileninnen, Chilenen und Mapuche, die in Deutschland leben rufen dazu auf, die Organisationen
und Kommunen der Mapuche zu unterstützen, die das legitime Recht auf Selbstbestimmung forden, das im Artikel N° 3 der UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker festgehalten ist. Diese Forderung stützt sich auch auf den Vertrag von Tapihue aus dem Jahr 1825, der zwischen dem chilenische Staat und den Mapuche geschlossen wurde und einseitig von ersterem durch die militärische Besetzung des Territoriums der Mapuche und dem Genozid an großen Teilen seiner Bevölkerung verletzt wurde.
Wir solidarisieren uns auch mit Héctor Llaitul, Ramón Llanquileo und Fernando Michaqueo, politischen
Gefangenen, die seit mehr als 60 Tagen im Hungerstreik sind und einen fairen Prozess und die
Nicht-Anwendung des Antiterrorgesetzes fordern.
Schluss mit der Kriminalisierung der Mapuche!
Nein zur Militarisierung des Wallmapu! Nein zu Anwendung des Antiterrorgesetzes!
Für die Selbstbestimmung der Mapuche! Respekt für den Vertrag von Tapihue!
Freiheit für die politischen Gefangenen der Mapuche!